Kopfschmerzen bis zum Tod? – Wie eine Packungsbeilage den AstraZeneca-Impfstoff "sicher" machen soll
von Mark Hadyniak
Am Donnerstag Nachmittag verkündete die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), der Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns AstraZeneca sei "sicher und effektiv". Laut der EMA-Direktorin Emer Cooke habe sich die EMA ein "klares wissenschaftliches Urteil" gebildet: "Die Vorteile" des Impfstoffes "sind wesentlich größer als die Risiken". Einen Zusammenhang der gemeldeten Fälle von Hirnvenen-Thrombosen "und dem Impfstoff" könne die EMA zwar "immer noch nicht endgültig ausschließen", es handele sich aber nur um "eine kleine Anzahl von Fällen". Die Empfehlung lautet daher: Weiterimpfen.
Dieser Empfehlung schloss sich der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn umgehend an. Er erklärte daraufhin, dass die Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff ab Freitag wieder anlaufen sollen. Spahn versicherte jedoch, dass die Bürger weiter "darauf vertrauen" können, "transparent informiert zu werden". In einer Pressekonferenz am Freitag sagte er dann:
"Wir können AstraZeneca wieder einsetzen, aber eben umsichtig – mit informierten Ärztinnen und Ärzten und entsprechend aufgeklärten Bürgerinnen und Bürgern. Gestern hat die EMA entschieden – heute geht es in den Ländern wieder los. Das ist wichtig."
Um die Sicherheit des AstraZeneca-Impfstoffes zu gewährleisten, soll nun bei der Patienteninformation – also in der Packungsbeilage – extra ein Warnhinweis vor Hirnvenen-Thrombose als möglicher Nebenwirkung aufgenommen werden. Man erlaube die Frage: Das ist alles? Das soll das ganze Ergebnis der groß angekündigten Überprüfung sein? Und das spricht für die Sicherheit dieses Impfstoffes?
Auslöser war ein gehäuftes Auftreten von Hirnvenen-Thrombosen bei mit AstraZeneca geimpften Personen – zunächst in Dänemark, dann in Norwegen, schließlich auch in Deutschland, dass am Montag das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sieben Fälle – überwiegend Frauen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren – meldete und damit offiziell Alarm schlug. Bei drei Personen führte die Thrombose zum Tod. Auf Empfehlung des PEI entschied das Bundesgesundheitsministerium daraufhin, die AstraZeneca-Impfungen vorläufig auszusetzen. Bis zum 18. März meldete das PEI dreizehn Fälle von Hirnvenen-Thrombosen nach einer AstraZeneca-Impfung. Dieses für die Impfsicherheit zuständige Bundesinstitut erklärte, ein "kausaler Zusammenhang" der Thrombose-Bildungen mit der Impfung sei "nicht unplausibel", und empfahl allen mit AstraZeneca-Geimpften, auf mögliche Symptome zu achten und sich bei deren Auftreten "dringend in ärztliche Behandlung zu begeben".
Das gesamte Geschehen wirft Fragen auf, die bislang nicht befriedigend beantwortet wurden.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Thrombose-Fällen und dem AstraZeneca-Impfstoff?
Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) äußerte sich gestern nicht eindeutig zu dieser Frage. Einerseits erklärte EMA-Direktorin Cooke mit Nachdruck, "dass die Impfung nicht mit einem erhöhten Risiko von thromboembolischen Ereignissen oder Blutgerinnseln verbunden ist". Andererseits könne die EMA jedoch "einen Zusammenhang zwischen diesen Fällen und dem Impfstoff immer noch nicht endgültig ausschließen". Nach Angaben der Ärzte Zeitung aus dem Springer Medizin Verlag (Anm.: Tochter der Springer Nature AG & Co. KGaA, nicht der Axel Springer SE Verlagsgruppe) hatte die EMA jedoch allein aus den ersten zwei Märzwochen Kenntnis von 12 Fällen zerebraler Sinusthrombosen – 1,35 Fälle "wären statistisch erwartbar gewesen". In den letzten Tagen kamen noch mehrere Fälle hinzu.
Das PEI äußerte sich hingegen konkreter warnend. Am Montag – als nur sieben Fälle von Hirnvenen-Thrombosen in Deutschland bekannt waren – schrieb das Paul-Ehrlich-Institut: "Etwa ein Fall wäre zu erwarten gewesen, sieben Fälle waren gemeldet worden". Demnach lagen die Fälle nach einer AstraZeneca-Impfung "statistisch signifikant höher als die Anzahl von Hirnvenenthrombosen, die normalerweise in der Bevölkerung ohne Impfung auftreten". Zudem sei in den Konditionen der aufgetretenen Fälle ein "vergleichbares Muster" sichtbar. Alle vom PEI hinzugezogenen Experten "waren einstimmig der Meinung, dass hier ein Muster zu erkennen ist und ein Zusammenhang der gemeldeten o.g. Erkrankungen mit der AstraZeneca-Impfung nicht unplausibel sei".
Und auch der SPD-Politiker Karl Lauterbach, der gerne als Gesundheitsexperte genannt wird, äußerte heute in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Jens Spahn, die Thrombosen in den Sinusvenen des Gehirns seien
"ein so pathognomonisches, ein so präzises Muster, dass sich durchaus herausstellen könnte, dass das eine Nebenwirkung des Impfstoffes ist, die dann auch spezifisch ist".
Neueste Forschungsergebnisse aus Deutschland liefern sogar eine Erklärung für den Zusammenhang zwischen der Thrombose-Bildung und dem AstraZeneca-Impfstoff: Der Impfstoff aktiviere die für die Gerinnung zuständigen Blutplättchen. Das passiere normalerweise im Körper nur bei einer Wundheilung, wenn ausgetretenes Blut gerinnt, um dadurch eine offene Wunde zu verschließen. Durch die Impfung werde bei einigen Patienten jedoch ein Mechanismus aktiviert, der zur Bildung von Blutgerinnseln innerhalb der Gefäße führe – auch in Blutgefäßen des Gehirns. Die Forscher schlugen auch eine angemessene Behandlungsmethode vor, um den Betroffenen zu helfen und einen tödlichen Verlauf der Hirnvenen-Thrombose zu verhindern.
Die Zahlen und Fakten sprechen gegen die Behauptung der EMA-Direktorin, "dass die Impfung nicht mit einem erhöhten Risiko von thromboembolischen Ereignissen oder Blutgerinnseln verbunden" sei. Und: Gäbe es keinen Zusammenhang, warum sollte AstraZeneca dann in der Packungsbeilage vor Hirnvenen-Thrombosen als Nebenwirkung warnen?
Ist der Impfstoff von AstraZeneca sicher?
Die zentrale Behauptung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) lautet: Der AstraZeneca-Impfstoff ist "sicher und effektiv". Dieser Grundtenor wird von zahlreichen politischen Fürsprechern des Impfstoffes geteilt – so etwa von Karl Lauterbach, der bei der Pressekonferenz deutlich seine Meinung kundtat: "Daher ist der Impfstoff sicher und der Nutzen ist gewährleistet."
Die Frage nach der Sicherheit lässt sich jedoch nicht so leicht beantworten. Sie impliziert zum Beispiel die Frage: Für wen ist der Impfstoff sicher? Sicherlich nicht mehr für die Personen mit schweren Fällen von Hirnvenen-Thrombosen oder gar jene, die daran verstorben sind.
Die Argumentation der EMA lautet hierzu: Dies sei nur "eine kleine Anzahl von Fällen von seltenen und ungewöhnlichen, aber sehr ernsten Gerinnungsstörungen". Das Paul-Ehrlich-Institut meldete bislang 13 Fälle bei 1,6 Millionen Geimpften in Deutschland. Lauterbach spricht von weniger als einem Fall auf 100.000 Impfungen. Wann ist eine "kleine Anzahl" groß genug? Bis zu wie vielen Todesfällen überwiegen noch – wie die EMA-Direktorin sagt – die Vorteile?
Lauterbach spricht dahingehend sogar – wenig hippokratisch – von einem "Kosten-Nutzen-Verhältnis". Er argumentiert, selbst wenn die Hirnvenen-Thrombosen eine spezifische Nebenwirkung des AstraZeneca-Impfstoffes seien,
"ist aber das Kosten-Nutzen-Verhältnis aus der Perspektive der Patienten dieses Impfstoffes hervorragend".
Wie viele Todesfälle darf der Nutzen der Impfung kosten? Ab wie vielen Toten ist das "Kosten-Nutzen-Verhältnis" nicht mehr gänzlich hervorragend?
Wenn Männer das Risiko für Frauen kalkulieren
Die Frage nach der Sicherheit und dem Nutzen des Impfstoffes impliziert auch zu fragen: Wer kann darüber befinden, ob der Impfstoff sicher sei?
Bei der Pressekonferenz am Freitag informierten Jens Spahn, Karl Lauterbach und Lars Schaade (vom Robert Koch-Institut) über die aktuelle Lage und den Umgang mit dem AstraZeneca-Impfstoff. Drei Männer standen dafür gerade, dass der Impfstoff sicher sei. Spahn und Lauterbach begrüßten die Entscheidung der EMA. Lauterbach sah das "hervorragende" "Kosten-Nutzen-Verhältnis". Betroffen von den Hirnvenen-Thrombosen sind nach Angaben der EMA und des PEI überwiegend Frauen zwischen 20 und 50. In Deutschland waren in zwölf der dreizehn Fälle Frauen betroffen. Sie betrifft vornehmlich das Risiko dieser Nebenwirkung des Impfstoffs. Wo ist hierbei eigentlich die Frage nach der Gleichberechtigung geblieben, wenn es um die Kalkulation von Kosten und Nutzen des Risikos von Frauen geht?
Vor diesem Hintergrund überzeugt es wenig, wenn Lauterbach verkündet: "Das ist ein Impfstoff, den ich meinerseits jederzeit nehmen würde, den ich jederzeit akzeptieren würde." Und er steht damit nicht allein. In den letzten Tagen meldeten sich auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder und der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki zu Wort. Beide erklärten, den AstraZeneca-Impfstoff für eine Impfung akzeptieren zu wollen. Keiner von den dreien hat es übrigens getan – zumindest nicht öffentlichkeitswirksam. Und selbst wenn: Um wie viel sicherer würde der Impfstoff dadurch für Frauen jüngeren bis mittleren Alters werden?
Fast wie ein schlechter Scherz klingen angesichts der tödlichen Verläufe von Hirnvenen-Thrombosen die Äußerungen vom RKI-Chef Lothar Wieler, der Ende Februar über Nebenwirkungen wie Fieber und Kopfschmerzen nach einer AstraZeneca-Impfung sagte:
"Besser ein, zwei Tage Kopfschmerzen, als diese verdammte Krankheit zu haben."
Epilog – Wird der Impfstoff sicherer durch eine Packungsbeilage?
In Zukunft befindet sich bei der Lieferung vom AstraZeneca-Impfstoff eine überarbeitete Version der bisherigen Packungsbeilage. In der könnte dann vermutlich unter der Rubrik "Nebenwirkungen mit schwerwiegenden Folgen" sinngemäß etwa stehen:
Kann in seltenen Fällen zu Hirnvenen-Thrombosen mit tödlichem Verlauf führen. Die Symptome dessen sind vor allem anhaltende Kopfschmerzen und punktförmige Hautblutungen. Auch neurologische Ausfälle wie Sprachstörungen und Lähmungen sowie Bewusstseinsstörungen können auftreten. Suchen Sie in diesen Fällen möglichst umgehend Ihren Arzt auf.
Dieser Warnhinweis bewirke dann – nach den Worten von Bundesgesundheitsminister Spahn – "informierte Ärztinnen und Ärzte und entsprechend aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger". Der Patient weiß Bescheid – die Situation für Ärzte, Gesundheitsamt und Pharmaunternehmen ist dann rechtlich abgesichert. Das Risiko trägt der Patient.
Man könnte – wie bei den Zigarettenpackungen – eine Art Warnschild auf der Packung unterbringen mit der Aufschrift: "Kann zu Kopfschmerzen bis zum Tod führen." Aber besser Kopfschmerzen als diese verdammte Krankheit, oder nicht? Und bei den paar Todesfällen ist das "Kosten-Nutzen-Verhältnis" des Präparats doch immer noch hervorragend. Die EMA sagt: Der AstraZeneca-Impfstoff ist "sicher und effektiv."
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